Samstag, 28. Mai 2011

Übertraining - oder mach mal Pause!

Das Übertrainingsyndrom (ÜTS) ist gerade für Ausdauersportler ein ernstes Problem. Dabei sind keineswegs nur Profisportler davon betroffen. Aufgrund der Vielzahl von Faktoren die in der Summe zu einem ÜTS führen können, ereilt es auch immer wieder Hobbysportler. Die Diagnose ist jedoch trotz der großen Relevanz sehr schwierig. Einheitliche Werte wie beim Bluthochdruck existieren bei ÜTS nicht.

Was ist das ÜTS?
Das ÜTS wird als ein Abfall sportartspezifischer Leistungsfähigkeit trotz weitergeführtem Training oder sogar intensiviertem Training mit teilweise ausgeprägten Befindlichkeits-störung beschrieben. Dieser Abfall der Leistungsfähigkeit ist auch nach längeren Regenerationsphasen (2-3 Wochen) noch feststellbar. Ist die Leistungsfähigkeit nur für kürzere Zeiträume vermindert, spricht man von einem Überlastungszustand oder „overreaching“. Andere krankhaft Ursachen wie Infekte, Mangelzustände oder sonstige Organstörungen und -fehlfunktionen müssen dabei auszuschließen sein.7
Das ÜTS kann in zwei Formen klassifiziert werden. Zum einen in das sympathikotische ÜTS, welches sich in erhöhter Herzfrequenz, Schlafstörungen, emotionale Instabilität, innerer Unruhe und organbezogenen Beschwerden äußert. Zum anderen in das para- sympathikotische ÜTS. Hier werden Antriebslosigkeit sowie phlegmatische und depressive Komponenten sichtbar. Oftmals liegt jedoch eine Mischform beider Formen vor.3,4

Wodurch wird das ÜTS hervorgerufen bzw. verursacht?
Als häufigste Ursachen werden häufig wiederholte hohe Trainingsintensitäten, hohe oder rasch gesteigerte Trainingsumfänge, Monotonie in den Trainingsmethoden und -inhalten oder häufige Wettkampfteilnahme genannt. Aber auch als regenerativ geplantes, aber zu intensiv durchgeführtes Training zwischen den eigentlichen Belastungsreizen kann ursächlich für das ÜTS sein.7 Unklar scheint dagegen, ob primär ein zu hoher Trainings-umfang oder eine zu hohe Trainingsintensität ursächlich für das ÜTS ist. Einige Autoren sehen die Ursache eher in einer Steigerung der Intensität und nicht in einer Erhöhung des Trainingsumfangs.1 Andere Autoren sehen hohe Reizspitzen im Gegensatz zu ständigen monotonen Belastungen als weniger kritisch an, sofern auf konsequente und ausreichende Erholung geachtet wird.7
Für Hobbysportler, mit vielen unterschiedlichen Verpflichtungen, ist der Stressfaktor von wesentlicher Bedeutung. Darunter fallen alltägliche, aber oft unterschätzte, Phänomene oder Situationen wie Prüfungssituationen, Beziehungsprobleme, Engpässe beim Zeit- management oder ähnliches. Auch die zu schnelle Wiederaufnahme des Trainings nach einer Krankheit oder ungenügende Regeneration nach umfangreichen Trainingslagern oder -phasen und sogar unzureichende Ernährung können das entstehen es ÜTS begünstigen. 1,7
Auch hormonelle Veränderungen können bei der Entstehung eines ÜTS beteiligt sein. Dabei können sie periphere (z.B. Regulierung der Calium-Natrium-Pumpe bei der Muskel-kontraktion) oder zentrale Einflüsse haben.8

Wie erkennt der Sportler, dass er vom ÜTS betroffen ist?
Leider gibt es bisher kein etabliertes Diagnoseschema oder validen Marker um das ÜTS zu identifizieren. 1,2 Die am häufigsten genannten Symptome die auf das ÜTS hindeuten, sind eine als schwer wahrgenommene Arbeitsmuskulatur (bereits bei niedrigen Intensitäten oder bei Alltagsbewegungen), chronische Müdigkeit und Schlafstörungen.6 Es muss dabei immer die Gesamtsituation (Training, Beruf, etc.), in der der Athlet die Symptome bemerkte, betrachtet werden.
Studien zeigten, dass die Rad-, Lauf- bzw. Ergometerleistung nur in den Bereichen der Schnelligkeits- und Kurzzeitausdauer beeinträchtigt ist.8 Weiterhin wird auch von Beein- trächtigungen der koordinativen Fähigkeiten oder der Maximalkraft berichtet.7
Oft vertreten wird die Ansicht, dass eine erhöhte Herzfrequenz in Ruhe auf das ÜTS hinweist.1,9 Entgegen dieser weitläufigen Meinung gehen andere Autoren davon aus, dass der Ruhepuls meist unverändert ist und erst die maximale Herzfrequenz um 3-5 Schläge niedriger ist.7 Auch die Messung der Herzfrequenzvariabilität (Variation in der Schlag-zu-Schlag-Dauer) als Diagnosemöglichkeit ist wissenschaftlich noch nicht endgültig erwiesen.1,7 Über die Bestimmung von Substraten oder Enzymen kann ebenfalls nicht einwandfrei ein ÜTS diagnostiziert werden.1,2 Diese sind jedoch hilfreich für die kurzzeitige Trainingssteuerung und damit geeignet, akute Überbelastungen zu erkennen.5
Insgesamt ist die Diagnostik über im Blut oder Harn messbare Substanzen nur dann möglich, wenn die individuellen Basiswerte bekannt sind. 1
Festzuhalten bleibt, dass es wenige bis keine Verfahren gibt um das ÜTS zweifelsfrei zu diagnostizieren. Es bedarf eines erfahrenden Betrachters um aus dem Auftreten von Symptomen und der Beurteilung der Gesamtumstände des Athleten auf ein mögliches ÜTS zu schließen.

Was kann der Sportler tun, wenn er das ÜTS aufweist?
Ist ein Sportler vom ÜTS betroffen, ist die wirksamste Therapie sehr einfach. Sowohl der Umfang als auch die Intensität des Trainings müssen reduziert werden. Die Drosselung kann bis zu einer Trainingspause führen. Bei der Wiederaufnahme des Trainings sollten vor allem regenerative bis kürzere extensive Einheiten unterhalb der aeroben Schwelle durchgeführt werden. Dabei sind andere Sportarten als die Hauptsportart empfehlenswert, um so die Trainingsmonotonie zu durchbrechen. Wie lange die Phase bis zur völligen Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit und das normale Training wieder aufgenommen werden kann, ist individuell sehr verschieden und kann sich über Monate erstrecken.7

Wie können Sportler das ÜTS vermeiden?
Die Tipps die den Sportler zur Vermeidung eines ÜTS an die Hand gegeben werden sind simpel und gleichzeitig schwierig. So werden langfristiger Trainingsaufbau und sinnvolle Periodisierung, ausreichende Erholung nach hohen Belastungen und adäquater Wechsel von Be- und Entlastung, Vermeidung von Monotonie und Verringerung belastender Einflüsse genannt.1 Für viele stellt sich die Frage, wie man lang die ausreichende Erholung ist und wie ein adäquates Verhältnis zwischen Be- und Entlastung aussieht. Dafür ist eine gute Selbstbeobachtung und Trainingserfahrung notwendig. Eine Trainingsprotokollierung erleichtert es einem die individuellen Regenerationszeiten nach intensiven oder umfang-reichen Trainingseinheiten oder Wettkämpfen zu terminieren.

Literaturliste beim Autor

Montag, 16. Mai 2011

Laufen als Radtraining?!

Laufen ist unkompliziert, hat einen geringen Material- und Zeitaufwand und ist die natürlichste Fortbewegungsform von uns Menschen - zumindest, wenn wir es eilig haben. Das Laufen (Langstrecke) ist der klassische Ausdauersport und wenn man sich mal die Mittel-, Langstrecken- und Marathonläufer ansieht, stellt man bereits rein optisch viele Parallelen zu den Radsportlern fest. Leichte und „austrainierte“ Athleten mit einem Körperfettanteil, der dem einer Vollmilch nahe kommt. Aber auch die Werte, die man in den sportwissenschaftlichen Laboren erheben kann, zeigen viele Gemeinsamkeiten auf. Zum Beispiel haben Läufer wie auch Radfahrer einen niedrigen Ruhepuls. Aber auch unter körperlicher Belastung sichtbar werdende Parameter sind vergleichbar. Da sind ein hohes Atemzugvolumen, ein hohes Schlagvolumen, eine hohe Sauerstoff-Transportkapazität des Blutes und die daraus resultierende hohe Sauerstoffaufnahme zu nennen. Unzweifelhaft stellen diese Parameter Faktoren dar, welche die Ausdauerleistung limitierenden.4,5 Nicht ohne Grund wird die maximale Sauerstoffaufnahme als das Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit bezeichnet.
Wenn also sowohl das Lauftraining als auch das Training auf dem Rad zu sehr ähnlichen kardiopulmonalen Anpassungen unseres Körpers führt, die auch noch für beide Sportarten leistungslimitierend sind, aber die Dauer einer Lauftrainingseinheit im Vergleich zu einer Trainingseinheit auf dem Rad deutlich kürzer ist, stellt sich die Frage warum die Radprofis im Training nicht laufen. Noch interessanter ist die Frage für alle, die ihren Sport als Hobby, neben Beruf und Familie ausüben und deshalb nur wenige Stunden am Tag oder gar in der Woche zur Verfügung haben. Es gibt einige Faktoren, die bei der Gestaltung des Trainingsalltages eine Rolle spielen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich Laufen und auch Radfahren gegenseitig positiv beeinflussen können. Der Herzmuskel wird beim Laufen und beim Radfahren ähnlich bis gleich gestresst und reagiert darauf mit Hypertrophie.14 Auch die Anpassungen hinsichtlich des Blutvolumens und -zusammensetzung können als ident betrachtet werden. Sogar bei der Erweiterung der Blutgefäße können Radfahrer vom Lauftraining profitieren. Vom Einatmen des Sauerstoffs bis zum Transport zu den arbeitenden Muskeln (bzw. bis zu den Ateriolen) ist für die Anpassungen des Organismus vor allem relevant, dass ein 1/7 bis 1/6 der gesamten Muskulatur bei der Bewegung beteiligt ist. Je mehr Muskeln beteiligt sind und je intensiver die körperliche Aktivität ist, desto höher ist der ausgeübte Stress für den Organismus. Ob dieser Stress durch Radfahren, Rudern, Langlaufen oder Laufen verursacht wird ist dem Körper weitestgehend egal. Die Belastung führt in den Ruhephase zu einer (Super-)Kompensation, also zu einer Anpassung des Körpers.
Beachten muss man jedoch, dass beim Laufen mehr Muskeln eingesetzt werden als beim Radfahren und beim Langlaufen wiederum mehr als beim Laufen. Das führt zu einem unterschiedlichen Gesamt-Sauerstoffbedarf während der jeweiligen Aktivität, welcher sich auch in den Werten der maximalen Sauerstoffaufnahme der Weltklasse Athleten widerspiegelt. Die höchsten Werte werden bei Ski-Langläufern gemessen (über 90ml/min/kg).2
Da ja die maximale Sauerstoffaufnahme, wie oben geschrieben, die wohl entscheidende Größe im Ausdauersport ist, wäre es doch ratsam, dass alle Ausdauersportler, die Bewegungsform für ihr Training wählen, die eine möglichst große Verbesserung der Sauerstoffaufnahme verspricht. Warum wir nicht alle nur noch Langlaufen gehen entscheidet sich in der Muskulatur.
Neben den obengenannten, allgemeinen Anpassungen des Organismus, passt sich auch die genutzte Muskulatur an. Die Kapillarisierung, also die Erweiterung und Neubildung von den feinsten Blutgefäßen, die letztlich das Blut zum Muskel bringen findet nach Auffassung der meisten Forscher fast ausschließlich in der trainierten Muskulatur statt.1,8,10 Das bedeutet, dass diese wichtige Anpassung nur dann stattfindet, wenn eben genau die beim Radfahren benötigten Muskeln trainiert werden. Viele der beim Radfahren benötigten Muskeln werden auch durch das Laufen beansprucht, jedoch in zum Teil unterschiedlicher Intensität. Genauso verhält es sich auch mit den in der Muskelzelle befindlichen und für den Energiestoffwechsel benötigten Zellorganellen (z.B. Mitochondrien) und Enzymen. Auch ihre Anzahl ist „bedarfsorientiert“ und verändert sich nur, wenn entsprechende Belastung eine Anpassung provozieren. Des Weiteren ist die Bewegungsamplitude der eingesetzten Gliedmaßen beim Laufen und beim Radfahren unterschiedlich. Dauerhaft führt das dazu, dass sich auch der Arbeitsbereich und der Bereich, in dem der Muskel die meiste Kraft erzeugen kann, verschiebt. Ferner ist die Arbeitsweise der Muskeln zu betrachten. Beim Laufen muss der Läufer während der Landung die beschleunigte Körpermasse abbremsen. Dazu ist exzentrische (nachgebende) Muskelarbeit notwendig. Einige Autoren gehen davon aus, dass bei der Antriebsbewegung des Radfahrens ausschließlich konzentrische Muskelarbeit geleistet wird.6,9,12 Hier drin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der muskulären Belastung beim Laufen und beim Radfahren. Beim Bergauflaufen sind die bei der Landung wirkenden Kräfte durch die verkürzte Flugphase geringer. Dafür sind die zu überwindenden Kräfte in der Abdruckphase größer. Hier kommt zum Tragen, dass die Richtung in die der Läufer seinen Körperschwerpunkt beschleunigt vertikaler ist. Es ist also anzunehmen, dass mit zunehmender Steigung die exzentrische Muskelarbeit abnimmt und die konzentrische Muskelarbeit zunimmt und somit der Muskeltätigkeit beim Radfahren ähnlicher wird.3,11,13 Auch wird beim Radfahren, sofern ein „runder“ Tritt mit Zugphase beherrscht wird, die Hüft- und Kniebeugemuskulatur aktiv angesprochen. Einen Vortrieb wirksamen Einsatz der Kniebeugemuskulatur beim laufen erreichen meist nur geübte Mittelstreckenläufer.
Besprochen wurden diese Mal langfristige Veränderungen des Körpers, kurzfristig auftretende Phänomene, wie Beeinflussung des Muskeltonus, werden ein anderes Mal diskutiert. Alles in allem kann man sehen, dass Laufen eben nicht Radfahren ist. Trotzdem sind einige Parallelen zwischen diesen beiden Sportarten auszumachen.
Was heißt das für den Rad-Profi? Der Profi leidet selten unter zeitlichen Engpässen und muss daher nicht auf das Laufen „ausweichen“. Auch die Tatsache, dass die Bewegungsökonomie, als weiter relevanter Faktor für die Leistung, vor allem durch sehr häufiges Wiederholen eines Bewegungsablaufs bzw. -zyklus gesteigert wird, ist zu beachten. Das Muskel-Skelett-System des Radprofis hat sich im Laufe der Trainingjahre auf die von ihm verlangten Bewegungen angepasst und der Arbeitsbereich der Muskulatur entsprechend verschoben. Lauftraining erscheint in seinem Fall eher ungeeignet. Er könnte jedoch andere Sportarten, die seinen passiven Bewegungsapparat weniger belasten, mit denen er jedoch sehr hohe kardiovakuläre Reize erzeugen kann, zur Bereicherung seines Trainingsalltages nutzen.
Für den Hobby-Radsportler bleibt festzuhalten, dass es durchaus sinnvoll ist, eine „Breite“ in seinen Bewegungen zu erhalten. Für viele der für das Radfahren benötigten Teilgrößen (z.B. Herzminutenvolumen, Blutvolumen und -zusammensetzung, Blutgefäße) stellt das Laufen ein geeignetes und zeitlich gut mit anderen Verpflichtungen vereinbares Training dar.5,7,10 Je stärker sich der Sportler spezialisiert hat, desto schwieriger wird es für ihn sein, mit einer ungewohnten Sportart einen für ihn relevanten Trainingsreiz zu setzen. Je seltener eine Sportart oder Bewegungsform durchgeführt wird, desto weniger hat sich der Körper darauf angepasst. Das heißt, dass sich ein an das Radfahren gewöhnter Körper langsamer von einem Lauftraining regeneriert und somit möglicherweise auch geplantes, folgendes Radtraining beeinträchtigt.
Also gilt auch hier wieder, dass jeder für sich herausfinden muss, wie er als Radsportler andere Sportarten, wie das Laufen, in sein Trainingsalltag als Abwechslung, zeitlich günstige Alternative oder Ergänzung integrieren kann und wie sein an das Radfahren angepasster Körper dieses verträgt. Höre auf deinen Körper!

Literaturliste beim Autor

Mittwoch, 4. Mai 2011

Die optimale Trittfrequenz

Die Suche nach der „richtigen“ Trittfrequenz spaltet die Radsportgemeinschaft. Jan Ullrich zeigte uns, wie man mit einem schweren Gang und niedriger Trittfrequenz die Konkurrenz stehen lässt. Ihm folgte Lance Armstrong der „nähmaschinen-gleich“ allen davon fuhr. Welche ist nun die optimale Trittfrequenz und unterscheidet sie sich beim Fahren in der Ebene und am Berg? Es scheint ausgeschlossen, eine allgemeingültige Antwort auf diese Fragen zu finden. Trotzdem gibt es einige theoretische Ansätze, die versuchen das im Radsport beobachtete zu erklären.

Im wesentlichen beeinflussen zwei muskuloskelettale Phänomene die Leistungsfähigkeit bei zyklischen Bewegungen wie dem Pedalieren. Zum einen ist die Verkürzungsgeschwindigkeit, die resultierende Kraft und damit auch die erzeugte Leistung zeitabhängig. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Muskel zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Verkürzungszyklus unterschiedliche Leistung erbringen kann. Im Mittel beträgt diese etwa 42% der maximalen Leistung. 7
Des Weiteren beeinflusst die „Aktivierung-Relaxtions-Dynamik“ die Trittfrequenz. Es ist nicht möglich, dass der Muskel während seiner gesamten agonistischen bzw. synergistischen Phase aktiviert und während der gesamten antagonistischen Phase eines Bewegungszyklus relaxiert ist. Der Muskel muss, damit er zu Beginn der Dehnphase eine möglichst geringe Aktivität aufweist, bereits vor dieser Phase deaktiviert werden. Dadurch ist der Muskel bei einem Teil der Verkürzungsphase nicht mehr maximal aktiviert. Je schneller der Bewegungszyklus bzw. je höher die Trittfrequenz ist, desto früher (relativ zur Dauer der Verkürzungsphase) muss der Muskel bereits deaktiviert werden, damit bei der exzentrischen Phase ein möglichst geringer Widerstand besteht. Neben den Phasen der submaximalen Aktivierung führt bei zunehmender Trittfrequenz auch der häufigere Übergang von Kontraktion zur Entspannung zu einer Abnahme des muskulären Leistungspotentials. Die Aktivierungs- bzw. Deaktivierungsphasen können aufgrund der Neurologie und Physiologie der motorischen Einheit auch bei höherer Trittfrequenz nicht schneller ablaufen und beanspruchen damit relativ gesehen einen größeren Zeitraum pro Bewegungszyklus.7

Das Phänomen, warum Radsportler am Berg eine andere Trittfrequenz wählen als in der Ebene ist nicht abschließend geklärt. Geht man davon aus, dass das menschliche Muskel-Skelett-System wie jeder Motor eine optimale Tourenzahl also Trittfrequenz hat, müsste diese auch für das bergauf Fahren gelten. In der Praxis ist dieses jedoch nicht zu beobachten. Auch wissenschaftliche Studien konnten feststellen, dass die selbstgewählte Trittfrequenz beim bergauf Fahren niedriger ist als beim Fahren in der Ebene.9,11 In der Ebene ist eine Trittfrequenz von etwa 95 rpm (revolutions per minute) und am Berg von etwa 75 rpm am häufigsten zu beobachten. 7
Untersuchungen bezüglich der Auswirkungen veränderter Widerstandskräfte bzw. veränderter „crank inertial load“ (CIL) auf das Bewegungsmuster der Radfahrer konnten zeigen, dass mit zunehmender CIL das maximale auf die Tretkurbel wirkende Drehmoment zunimmt und das minimale Drehmoment abnimmt.1,2,6,8,9 Diese Beobachtung führt zu dem Schluss, dass der Radfahrer, mit zunehmenden Widerstand den „runden“ Tritt verliert. Untersuchungen, die die Aktivität verschiedener Muskelgruppen bei unterschiedlichen CIL untersuchten, kamen zu keinen einheitlichen Ergebnissen.3,4,5,10 Zusammenfassend kann jedoch gesagt werden, dass mit sinkendem CIL auch die Aktivität einiger Muskelgruppen (z.B. gluteus maximus, rectus femoris) sinkt und die Aktivität anderer Muskelgruppen (z.B. biceps femoris, tibialis anterior, gastrocnemius), welche für die Beugung im Knie-, Hüft- und Sprunggelenk verantwortlich sind, steigt. Das bekräftigtdie Vermutung, dass Radfahrer am Berg einen „runderen“ Tritt fahren. 7

Auch die Energiebereitstellung bzw. die maximale Sauerstoffaufnahme könnte zu einem die Trittfrequenz beeinflussenden Faktor werden. Übersteigt der Sauerstoffbedarf die maximale Sauerstoffaufnahme, bleiben dem Radfahrer zwei Möglichkeiten drauf zu reagieren. Entweder er reduziert die Muskelaktivität bei gleichbleibender Trittfrequenz oder er reduziert die Trittfrequenz bei gleichbleibender Muskelaktivität.7
Auch die Tatsache, dass im Gegensatz zum Fahren in der Ebene der Luftwiderstand beim bergauf Fahren eine deutlich geringere Rolle spielt, sehen einige Autoren7 als mögliche Begründung für die niedrigere Trittfrequenz am Berg. Die Radfahrer können dort eine aufrechtere Position einnehmen und so die Hüftmuskulatur während der Zugphase besser nutzen. Dadurch, dass mehr Muskulatur eingesetzt wird, kommt es auch zu einem erhöhten Energieverbrauch und Sauerstoffbedarf. Ungeachtet dessen, welche Ursache der erhöhte Energie- und Sauerstoffbedarf hat, würde dieser aufgrund der oben dargelegten Argumentation eine niedrigere Trittfrequenz als die ökonomischere Reaktion des Radfahrers begründen.

Natürlich erklärt die oben angeführte Diskussion das Phänomen der unterschiedlichen Trittfrequenzen am Berg und in der Ebene nicht abschließend. Weitere Untersuchungen bei denen eine Spiroergometrie und auch eine Erhebung der Muskelaktivität jeweils für das Fahren in der Ebene und am Berg durchgeführt wird, könnten weitere Erkenntnisse bringen. Auch mit neuen Erkenntnissen bleibt zu bedenken, dass jeder Mensch eine andere anthropometrische und muskelphysiologische Voraussetzungen hat und es somit nur eine individuelle optimale Trittfrequenz gibt, die keine Allgemeingültigkeit besitzt. In diesem Sinne: Kette rechts!

Literaturliste beim Autor

sportlabor.eu

Ab jetzt versuche ich regelmäßig (wöchentlich) Lesestoff auf sportlabor.blogspot.com bereitzustellen. Thematisch vielseitig soll es sein und den Sport aus der theoretischen Sichtweise darstellen, erklären, diskutieren oder hinterfragen.
Ich hoffe es gefällt euch, ihr lest fleißig mit und gebt mir Rückmeldung, ob ihr damit was anfangen könnt.
In diesem Sinne: ab gehts!