Montag, 16. Mai 2011

Laufen als Radtraining?!

Laufen ist unkompliziert, hat einen geringen Material- und Zeitaufwand und ist die natürlichste Fortbewegungsform von uns Menschen - zumindest, wenn wir es eilig haben. Das Laufen (Langstrecke) ist der klassische Ausdauersport und wenn man sich mal die Mittel-, Langstrecken- und Marathonläufer ansieht, stellt man bereits rein optisch viele Parallelen zu den Radsportlern fest. Leichte und „austrainierte“ Athleten mit einem Körperfettanteil, der dem einer Vollmilch nahe kommt. Aber auch die Werte, die man in den sportwissenschaftlichen Laboren erheben kann, zeigen viele Gemeinsamkeiten auf. Zum Beispiel haben Läufer wie auch Radfahrer einen niedrigen Ruhepuls. Aber auch unter körperlicher Belastung sichtbar werdende Parameter sind vergleichbar. Da sind ein hohes Atemzugvolumen, ein hohes Schlagvolumen, eine hohe Sauerstoff-Transportkapazität des Blutes und die daraus resultierende hohe Sauerstoffaufnahme zu nennen. Unzweifelhaft stellen diese Parameter Faktoren dar, welche die Ausdauerleistung limitierenden.4,5 Nicht ohne Grund wird die maximale Sauerstoffaufnahme als das Bruttokriterium der Ausdauerleistungsfähigkeit bezeichnet.
Wenn also sowohl das Lauftraining als auch das Training auf dem Rad zu sehr ähnlichen kardiopulmonalen Anpassungen unseres Körpers führt, die auch noch für beide Sportarten leistungslimitierend sind, aber die Dauer einer Lauftrainingseinheit im Vergleich zu einer Trainingseinheit auf dem Rad deutlich kürzer ist, stellt sich die Frage warum die Radprofis im Training nicht laufen. Noch interessanter ist die Frage für alle, die ihren Sport als Hobby, neben Beruf und Familie ausüben und deshalb nur wenige Stunden am Tag oder gar in der Woche zur Verfügung haben. Es gibt einige Faktoren, die bei der Gestaltung des Trainingsalltages eine Rolle spielen.
Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich Laufen und auch Radfahren gegenseitig positiv beeinflussen können. Der Herzmuskel wird beim Laufen und beim Radfahren ähnlich bis gleich gestresst und reagiert darauf mit Hypertrophie.14 Auch die Anpassungen hinsichtlich des Blutvolumens und -zusammensetzung können als ident betrachtet werden. Sogar bei der Erweiterung der Blutgefäße können Radfahrer vom Lauftraining profitieren. Vom Einatmen des Sauerstoffs bis zum Transport zu den arbeitenden Muskeln (bzw. bis zu den Ateriolen) ist für die Anpassungen des Organismus vor allem relevant, dass ein 1/7 bis 1/6 der gesamten Muskulatur bei der Bewegung beteiligt ist. Je mehr Muskeln beteiligt sind und je intensiver die körperliche Aktivität ist, desto höher ist der ausgeübte Stress für den Organismus. Ob dieser Stress durch Radfahren, Rudern, Langlaufen oder Laufen verursacht wird ist dem Körper weitestgehend egal. Die Belastung führt in den Ruhephase zu einer (Super-)Kompensation, also zu einer Anpassung des Körpers.
Beachten muss man jedoch, dass beim Laufen mehr Muskeln eingesetzt werden als beim Radfahren und beim Langlaufen wiederum mehr als beim Laufen. Das führt zu einem unterschiedlichen Gesamt-Sauerstoffbedarf während der jeweiligen Aktivität, welcher sich auch in den Werten der maximalen Sauerstoffaufnahme der Weltklasse Athleten widerspiegelt. Die höchsten Werte werden bei Ski-Langläufern gemessen (über 90ml/min/kg).2
Da ja die maximale Sauerstoffaufnahme, wie oben geschrieben, die wohl entscheidende Größe im Ausdauersport ist, wäre es doch ratsam, dass alle Ausdauersportler, die Bewegungsform für ihr Training wählen, die eine möglichst große Verbesserung der Sauerstoffaufnahme verspricht. Warum wir nicht alle nur noch Langlaufen gehen entscheidet sich in der Muskulatur.
Neben den obengenannten, allgemeinen Anpassungen des Organismus, passt sich auch die genutzte Muskulatur an. Die Kapillarisierung, also die Erweiterung und Neubildung von den feinsten Blutgefäßen, die letztlich das Blut zum Muskel bringen findet nach Auffassung der meisten Forscher fast ausschließlich in der trainierten Muskulatur statt.1,8,10 Das bedeutet, dass diese wichtige Anpassung nur dann stattfindet, wenn eben genau die beim Radfahren benötigten Muskeln trainiert werden. Viele der beim Radfahren benötigten Muskeln werden auch durch das Laufen beansprucht, jedoch in zum Teil unterschiedlicher Intensität. Genauso verhält es sich auch mit den in der Muskelzelle befindlichen und für den Energiestoffwechsel benötigten Zellorganellen (z.B. Mitochondrien) und Enzymen. Auch ihre Anzahl ist „bedarfsorientiert“ und verändert sich nur, wenn entsprechende Belastung eine Anpassung provozieren. Des Weiteren ist die Bewegungsamplitude der eingesetzten Gliedmaßen beim Laufen und beim Radfahren unterschiedlich. Dauerhaft führt das dazu, dass sich auch der Arbeitsbereich und der Bereich, in dem der Muskel die meiste Kraft erzeugen kann, verschiebt. Ferner ist die Arbeitsweise der Muskeln zu betrachten. Beim Laufen muss der Läufer während der Landung die beschleunigte Körpermasse abbremsen. Dazu ist exzentrische (nachgebende) Muskelarbeit notwendig. Einige Autoren gehen davon aus, dass bei der Antriebsbewegung des Radfahrens ausschließlich konzentrische Muskelarbeit geleistet wird.6,9,12 Hier drin liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen der muskulären Belastung beim Laufen und beim Radfahren. Beim Bergauflaufen sind die bei der Landung wirkenden Kräfte durch die verkürzte Flugphase geringer. Dafür sind die zu überwindenden Kräfte in der Abdruckphase größer. Hier kommt zum Tragen, dass die Richtung in die der Läufer seinen Körperschwerpunkt beschleunigt vertikaler ist. Es ist also anzunehmen, dass mit zunehmender Steigung die exzentrische Muskelarbeit abnimmt und die konzentrische Muskelarbeit zunimmt und somit der Muskeltätigkeit beim Radfahren ähnlicher wird.3,11,13 Auch wird beim Radfahren, sofern ein „runder“ Tritt mit Zugphase beherrscht wird, die Hüft- und Kniebeugemuskulatur aktiv angesprochen. Einen Vortrieb wirksamen Einsatz der Kniebeugemuskulatur beim laufen erreichen meist nur geübte Mittelstreckenläufer.
Besprochen wurden diese Mal langfristige Veränderungen des Körpers, kurzfristig auftretende Phänomene, wie Beeinflussung des Muskeltonus, werden ein anderes Mal diskutiert. Alles in allem kann man sehen, dass Laufen eben nicht Radfahren ist. Trotzdem sind einige Parallelen zwischen diesen beiden Sportarten auszumachen.
Was heißt das für den Rad-Profi? Der Profi leidet selten unter zeitlichen Engpässen und muss daher nicht auf das Laufen „ausweichen“. Auch die Tatsache, dass die Bewegungsökonomie, als weiter relevanter Faktor für die Leistung, vor allem durch sehr häufiges Wiederholen eines Bewegungsablaufs bzw. -zyklus gesteigert wird, ist zu beachten. Das Muskel-Skelett-System des Radprofis hat sich im Laufe der Trainingjahre auf die von ihm verlangten Bewegungen angepasst und der Arbeitsbereich der Muskulatur entsprechend verschoben. Lauftraining erscheint in seinem Fall eher ungeeignet. Er könnte jedoch andere Sportarten, die seinen passiven Bewegungsapparat weniger belasten, mit denen er jedoch sehr hohe kardiovakuläre Reize erzeugen kann, zur Bereicherung seines Trainingsalltages nutzen.
Für den Hobby-Radsportler bleibt festzuhalten, dass es durchaus sinnvoll ist, eine „Breite“ in seinen Bewegungen zu erhalten. Für viele der für das Radfahren benötigten Teilgrößen (z.B. Herzminutenvolumen, Blutvolumen und -zusammensetzung, Blutgefäße) stellt das Laufen ein geeignetes und zeitlich gut mit anderen Verpflichtungen vereinbares Training dar.5,7,10 Je stärker sich der Sportler spezialisiert hat, desto schwieriger wird es für ihn sein, mit einer ungewohnten Sportart einen für ihn relevanten Trainingsreiz zu setzen. Je seltener eine Sportart oder Bewegungsform durchgeführt wird, desto weniger hat sich der Körper darauf angepasst. Das heißt, dass sich ein an das Radfahren gewöhnter Körper langsamer von einem Lauftraining regeneriert und somit möglicherweise auch geplantes, folgendes Radtraining beeinträchtigt.
Also gilt auch hier wieder, dass jeder für sich herausfinden muss, wie er als Radsportler andere Sportarten, wie das Laufen, in sein Trainingsalltag als Abwechslung, zeitlich günstige Alternative oder Ergänzung integrieren kann und wie sein an das Radfahren angepasster Körper dieses verträgt. Höre auf deinen Körper!

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